Die Entscheidung des nigerianischen Staatspräsidenten Muhammadu Buhari, die aus deutschen Museen zurückgegebenen Benin-Bronzen dem Oba (König) des ehemaligen Königreichs Benin und damit einer Privatperson zu übereignen, hat im Bundestag ein unterschiedliches Echo ausgelöst. Die AfD-Fraktion sprach am Freitag, 12. Mai 2023, in einer von ihr verlangten Aktuellen Stunde zum Thema „Scheitern der Bundesregierung bei der Restitution der Benin-Bronzen – Außen- und Kulturpolitik von Ideologie befreien“ von einer Demütigung der Bundesregierung. Die Koalitionsfraktionen verteidigten indes die Entscheidung der Regierung, die Kunstschätze bedingungslos an das Herkunftsland zurückzugeben.
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Meine Rede vom 12.05.2023 zur aktuellen Stunde zum Thema „Scheitern der Bundesregierung bei der Restitution der Benin-Bronzen – Außen- und Kulturpolitik von Ideologie befreien“
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,
durch die Rückgabe der ersten Benin-Bronzen wurde auch in einer breiteren Öffentlichkeit die Diskussion um Kulturgüter, die sich in Museen und Depots in Deutschland befinden und von Kolonialmächten den eigentlichen Eigentümern geraubt und geklaut wurden, angestoßen.
Diese Bronzefiguren wurden im 19. Jahrhundert von britischen Truppen aus dem Königreich Benin – im heutigen Nigeria – unter gewaltsamen Umständen geraubt und in verschiedene Länder, darunter auch Deutschland, gebracht.
Seit vielen Jahren gibt es nun eine Fachdebatte darüber, wie man mit diesen Kunstwerken umgehen soll. Da sie Teil des kulturellen Erbes eines Landes sind und dort einen großen historischen und kulturellen Wert haben, ist die Rückgabe an die Nachfahren bzw. Staaten aus Überzeugung der richtige Weg.
Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir uns dieser Debatte stellen und eine Lösung finden, die sowohl gerecht als auch verantwortungsvoll ist. Wir müssen uns fragen, ob es ethisch vertretbar ist, Kunstwerke, die auf unrechtmäßige Weise erbeutet wurden, weiterhin zu besitzen und auszustellen.
Und es stellt sich die Frage, wie bei Ausstellungen in Deutschland verhindert werden kann, dass die eurozentrierte Sichtweise prägend ist. Wir verpflichten uns als Gesellschaft, die Fehler unserer Vergangenheit anzuerkennen und zu korrigieren – da wo möglich. Eine Rückgabe der Benin Bronzen an Nigeria ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung und trägt dazu bei, das Vertrauen zwischen unseren Ländern zu stärken. Natürlich müssen wir dabei sicherstellen, dass die Kunstwerke auch angemessen geschützt und erhalten werden können und bieten da in Kooperation, Unterstützung an.
Im vergangenen Dezember hat Außenministerin Annalena Baerbock feierlich die ersten Benin-Bronzen an Nigeria zurückgegeben, um ein Unrecht zu beheben. Die Rückgabe war nicht an Bedingungen geknüpft, und die Bundesregierung hält die Entscheidung nach wie vor für richtig. Allerdings gibt es Hinweise, dass die Bronzen nun nicht öffentlich ausgestellt werden.
Es ist die Entscheidung, des souveränen Staates Nigerias, wo die Kunstwerke verbleiben und ob bzw. wie sie der Bevölkerung zugänglich gemacht werden können.
Kunst, Kultur und Geschichte erfahren bzw. sehen zu können stiftet Identität und gibt Eindrücke und Einblicke, die auch das Verständnis und das Miteinander fördern können. Es ist unangebracht zu vermuten, dass die Bronzen oder andere Objekte auf Nimmerwiedersehen verschwinden werden.
Indem wir unsere Verantwortung gegenüber den Kunstwerken und der Vergangenheitsbewältigung wahrnehmen, müssen wir auch erkennen, dass wir die nigerianische Souveränität nicht überschreiten oder und deren rechtfertigte Beziehung zu den Bronzen anderweitig untergraben dürfen.
Im Namen der Fraktion möchte ich unsere Ziele zur Förderung einer postkolonialen Erinnerungskultur teilen. Wir glauben daran, dass es an der Zeit ist, einen veränderten Umgang mit kolonial belasteten Kulturgütern in Museen zu fördern. Das bedeutet, dass wir uns für Rückgaben an die Herkunftsgesellschaften und eine vertiefte internationale Kooperation einsetzen werden. Wir wollen, dass die Arbeit am Humboldt-Forum in Berlin Maßstäbe setzt und ein Beispiel für andere Institutionen wird, welches kontinuierlich weiter entwickelt wird.
Doch es geht nicht nur um Rückgaben von Objekten, sondern auch um einen Dialog mit den Herkunftsgesellschaften, um eine vertiefte ressort-übergreifende internationale Kooperation zu erreichen. Wir unterstützen insbesondere die Rückgabe von Kulturgütern aus kolonialem Kontext und möchten damit einen Beitrag zur Aufarbeitung unserer kolonialen Vergangenheit leisten. Unser Ziel ist es, eine gerechte Zukunft mit den ehemals kolonialisierten Ländern und Gesellschaften zu gestalten. Dazu ist es notwendig, den Kultur-, Bildungs- und Wissensaustausch voranzutreiben.
Wir möchten den internationalen Austausch und Dialog fördern und die kooperative Forschung stärken. Seit 2019 gibt es Eckpunkte zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten und im Jahr 2020 wurde eine zentrale Kontaktstelle eingerichtet. Es gibt eine gemeinsame Digitalisierungsstrategie („3 Wege-Strategie“), die uns dabei helfen wird, unsere Ziele zu erreichen. Denn wir wissen, dass es in den Museen noch zahlreiche Objekte gibt, die bisher weder ausgestellt noch systematisch erfasst sind.
Ich glaube, dass wir durch eine postkoloniale Erinnerungskultur dazu beitragen können, einander besser zu verstehen, um eine bessere Zukunft zu gestalten. Wir müssen uns unserer Vergangenheit stellen, denn nur zusammen können wir eine gerechtere und solidarischere Welt aufbauen.
Ich bin optimistisch, dass wir gemeinsam eine Lösung finden können, die sowohl den Wünschen der nigerianischen Bevölkerung als auch den Verantwortungen der Länder, in denen sich die Bronzen heute befinden, gerecht wird.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.