Der Ausbau strategischer Partnerschaften mit den Staaten Lateinamerikas und der Karibik ist für Deutschland und Europa im Kontext der Zeitenwende und in einer zunehmend multizentrischen Welt von zentraler strategischer Bedeutung für die Sicherung von Frieden, Freiheit, Wohlstand und regelbasierter Ordnung. Bei allen politischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen und geostrategischen Unterschieden innerhalb Lateinamerikas und der Karibik gibt es in keiner anderen Weltregion außerhalb Europas und Nordamerikas so viele Verfassungsdemokratien und starke Allianzpartner:innen in Parlamenten, Parteien, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft. Die meisten Länder Lateinamerikas und der Karibik gehören zu den stärksten Befürworter:innen des Multilateralismus und einige Regierungen verfolgen dezidiert eine feministische Außenpolitik. Außerdem hat die Region es geschafft, frei von kriegerischen Auseinandersetzungen, nuklearen und anderen Massenvernichtungswaffen zu sein.
Europa ist mit Lateinamerika und der Karibik durch ein gemeinsames Wertefundament eng miteinander verbunden. Die Ergebnisse einer im Jahr 2021 im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung in der Region durchgeführten repräsentativen Umfrage zeigen, dass die vertretenen Werte und Normen wie Demokratie, sozialer Zusammenhalt und Menschenrechte eine hohe Anziehungskraft auf die Gesellschaften ausüben. Es liegt in unserer Verantwortung und in unserem Interesse, auf diese gemeinsamen Werte aufzubauen und die Demokratien in einer von sozialen, ökonomischen, ökologischen und politischen Krisen geprägten Region nachhaltig zu stärken. Dafür müssen wir unseren Partner:innen attraktive Angebote zur Zusammenarbeit machen, die für beide Seiten Vorteile bieten. Ferner müssen wir unterschiedliche Sichtweisen anerkennen und im Rahmen gerechter Übergänge zu einer nachhaltigen und sozial gerechten Transformation der Wirtschaftssysteme und zur Sicherung des gesellschaftlichen Friedens beitragen.
Lateinamerika und die Karibik sind wichtige Handelspartner Europas und bergen enorme Potenziale für den Ausbau und Export erneuerbarer Energien (zum Beispiel Grüner Wasserstoff) und die Verarbeitung kritischer Rohstoffe (beispielsweise Lithium und Kupfer), um die Energiewende in beiden Regionen voranzubringen. Bestehende Wirtschaftspartnerschaften müssen daher ausgebaut und nachhaltig ausgestaltet werden. Daher setzen wir uns für die Ratifizierung des EU-Mercosur-Abkommens mit überprüfbaren und rechtlich verbindlichen Verpflichtungen zum Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsschutz mit den Partnerländern ein. Es ist wichtig, dass die Verhandlungen über das Abkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten zeitnah erfolgreich abgeschlossen werden. Wir erwarten, dass hierbei neue partnerschaftliche Kooperationsansätze zum Tragen kommen, um Investitionen, Wertschöpfung und hochwertige Arbeitsplätze vor Ort zu ermöglichen. Progressive Regierungen wie gegenwärtig in Argentinien, Brasilien, Chile oder Kolumbien bieten ein zusätzliches Momentum, um gemeinsame Fortschrittsprojekt voranzubringen.
Auch im Hinblick auf den Klima- und Artenschutz sowie die Biodiversität und den Schutz von Lebensräumen indigener Völker nimmt die Region eine herausragende Rolle ein. Sie ist gerade auch deshalb von enormer Bedeutung, weil nach dem Konzept von One-Health der Schutz von Klima und Biodiversität eng verbunden ist mit der Gesundheit von Tier und Mensch. Aufgrund des guten Bildungsniveaus der Bevölkerung in den meisten Ländern können diese auch Partner für die Gewinnung von Fachkräften ein Vorteil sein. Denn auf begrenzte Zeit in Deutschland zu leben und zu arbeiten, können sich gebildete Fachkräfte vorstellen. Dies bietet neben der Entlastung unseres Fachkräftemarktes auch die Möglichkeit zum Austausch und zur Stärkung des Miteinanders.
Bundeskanzler Olaf Scholz und Entwicklungsministerin Svenja Schulze sowie zahlreiche Abgeordnete der SPD-Bundestagsfraktion haben mit ihren Besuchen in den verschiedenen Staaten bereits wichtige Zeichen gesetzt. Nach acht Jahren findet am 17./18. Juli 2023 in Brüssel erstmals ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Gemeinschaft der Staaten Lateinamerikas und der Karibik (CELAC) und der Europäischen Union (EU) in diesem Jahr statt. Dieses trägt der Bedeutung der Partnerschaft mit
Lateinamerika und der Karibik Rechnung und bietet eine Chance, die Beziehungen auf eine neue Grundlage zu stellen. Die in diesem Positionspapier aufgeführten Themen betrachten wir als zentralen Handlungsrahmen für eine sozialdemokratische Lateinamerika-Karibik-Politik der SPD-Bundestagsfraktion.
Das vollständige Papier finden Sie hier: Positionspapier