Der Bundestag hat am Donnerstag, 30. März 2023, die Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in namentlicher Abstimmung beschlossen. 626 Abgeordnete haben für den Antrag der Bundesregierung mit dem Titel „Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Mission der Vereinten Nationen in der Republik Südsudan (Unmiss)“ (20/5668) gestimmt. 53 Parlamentarier stimmten gegen die Vorlage und fünf enthielten sich.
Meine Rede vom 30. März 2023 können Sie hier nachlesen:
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine allererste Rede in diesem Hause war ziemlich genau vor einem Jahr. Der eine oder andere wird sich noch daran erinnern: Mir fehlte eine Seite.
Auch im vergangenen Jahr sprach ich genau zu diesem Thema. Es ging um die Fortsetzung der Beteiligung Deutschlands an der VN-Mission im Südsudan. Die Lage ist heute wie damals katastrophal, und der wertvolle Beitrag unserer Soldatinnen und Soldaten ist nach wie vor unverzichtbar.
Das Land zählt zu den ärmsten Ländern weltweit. Überschwemmungen in den vergangenen Jahren haben die Situation vor Ort noch verschärft. Die ländliche Bevölkerung konnte sich früher selbst versorgen. Nun leidet sie besonders unter dem Wechsel zwischen Dürreperioden und anhaltenden Regenfällen. Sie verfügt maximal noch über das Allerallernötigste.
Seit Russlands Aggressionskrieg gegen die Ukraine sind die Weizenpreise gerade auch im östlichen Afrika um weitere 30 Prozent gestiegen. Die erhöhten Benzinpreise verteuern den Transport und somit auch die knappen Lebensmittel.
Diese Entwicklungen treffen arme Länder und Regionen wie den Südsudan besonders hart. Die wenigen verfügbaren Lebensmittel sind für viele Menschen unbezahlbar geworden.
Vor einem Krankenhaus in einer südsudanesischen Stadt sitzen jeden Tag, jeden Morgen schwangere Frauen und stillende Frauen. Sie warten darauf, dass ihr Oberarmumfang gemessen wird. Bei einem Wert von unter 23 Zentimetern gelten sie als mangelernährt. Mittlerweile sind 8,9 Millionen von 12 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Laut des Amtes der Vereinten Nationen, das für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten zuständig ist, werden es in diesem Jahr knapp 10 Millionen Menschen sein. Das ist die größte Hungersnot seit der Unabhängigkeit dieses Landes.
Die Sicherheitslage ist weiterhin prekär und instabil. Sie erschwert auch die Bemühungen internationaler Hilfsorganisationen. Dies betrifft beispielsweise den Transport der überlebensnotwendigen Hilfsgüter innerhalb des Landes, aber auch die Sicherheit des Personals; denn es gibt einen sehr traurigen Rekord: Das Land ist weltweit einer der gefährlichsten Orte für Helferinnen und Helfer, die humanitäre Hilfe leisten wollen. 2021 sind 27 Helfer:innen gestorben, im vergangenen Jahr waren es 9.
Seit Ausbruch des Konflikts im Jahr 2013 wurden fast 400 000 Menschen getötet, 2,2 Millionen Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht und etwa ebenso viele mussten das Land bereits verlassen. Die Hälfte, nämlich gut eine Million Kinder, fliehen innerhalb des Landes, zum Teil auch ohne Eltern.
Meine Vorrednerin ging schon auf die Situation der Frauen ein. Frauen, Kinder, ältere Menschen und Behinderte tragen die Hauptlast in diesem Konflikt. Und wir haben schon gehört, welcher Gewalt sie ausgesetzt sind: Missbrauch, Ausbeutung, Frühschwangerschaften, Kinderehen. In einem Flüchtlingsheim oder Flüchtlingslager ist eine verschlossene Tür eine Seltenheit. Und gerade deshalb bekommt das Versagen des Staates im Kampf gegen die Straflosigkeit eine ganz besondere negative Bedeutung. Ferner haben fast drei Viertel der südsudanesischen Kinder keinen Zugang zu Bildungsangeboten.
Das Land befindet sich in einer kritischen Phase. Die Bestimmungen des Friedensabkommens konnten bis Februar dieses Jahres nicht umgesetzt werden. Die Transitionsphase hat sich daher um zwei weitere Jahre verlängert. Es besteht die akute Gefahr eines Rückfalls in einen großflächigen Konflikt.